Um Leckagen und ungeplante Ausfälle bei Hydraulikzylindern zu vermeiden, hat der schwäbische Maschinenbauer Herbert Hänchen ein Zustandsüberwachungssystem namens Performance Control entwickelt. Dieses System verwendet die Informationen von integrierten Messgeräten und erstellt daraus Vorhersagen.
Herbert Hänchen ist bekannt für seine Hydraulikzylinder. Schon seit vielen Jahren werden diese bei Bedarf mit Sensoren wie Wegmesssystemen ausgestattet. Mittlerweile können sie dank verschiedener Sensoren so umfangreiche Daten liefern, dass eine Überwachung des Betriebszustandes und eine Wartungsvorhersage ermöglicht werden.
„Auch für die Hydraulik gilt: Nur wenn möglichst aussagefähige Daten zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen, ist eine Vernetzung sinnvoll“, sagt Klaus Wagner, Bereichsleiter Forschung und Innovation bei der Herbert Hänchen GmbH. Entscheidend für die Datenbereitstellung sei dabei das neue Performance Control System von Hänchen, das jetzt in die Prototypenphase geht.
Die über 20-jährige Erfahrung in Steuerung und Integration von Hydraulikzylindern in Antriebssystemen floss in die Entwicklung dieser Software ein. Durch den Bau von Sondermaschinen bei Hänchen besteht umfassendes Know-how im Engineering und der Umsetzung kompletter geregelter Antriebssysteme bis hin zu vollständigen Sondermaschinen – das geht weit über den Hydraulikzylinder hinaus.
Zustandserfassung mit integrierten Messsystemen
Die Zustandserfassung für Linearantriebe bei Hänchen beinhaltet das Bewegungsprofil mit Faktoren wie Frequenz, Amplitude, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Einsatzzeit und Laufleistung. Zusätzliche Daten wie Temperatur im Zylinder oder Leckagen an der Kolbenstange werden ebenfalls erfasst.
Hänchen bietet ein umfassendes Konzept für diese Aufgabe: Es beinhaltet die Integration der benötigten Messsysteme, wie Positionssensor, Druck- oder Leckagesensor, Temperatursensor sowie Durchflusssensoren bei den Dichtungssystemen Servobear und Servofloat. Besonders der von Hänchen entwickelte innovative Leckagesensor eröffnet neue Möglichkeiten in der Überwachung. Er erkennt selbstlernend Veränderungen der Kolbenstangenleckage über die Betriebslaufzeit und gibt Aufschluss über den Verschleiß der Dichtungen. Der Einsatz von Sensoren sollte jedoch aufgrund der Investitionskosten stets sinnvoll sein, zum Beispiel zur Überwachung großer Zylinder oder bei enormen Ausfallkosten, wie in der Stahlproduktion.
Die Rohdaten werden über Gateways verarbeitet und mit der neuen Hänchen-Software Performance Control aufbereitet. Auf einem Dashboard kann der Anwender neben den aktuellen Betriebsdaten auch eine Langzeitüberwachung der Zylinder einsehen und Prognosen zur Zuverlässigkeit erhalten. So kann beispielsweise vorhergesagt werden, wann ein Dichtungswechsel erforderlich sein wird. Diese Daten können vom Anwender vielseitig für Sicherheit, Prozesssteuerung und Produktüberwachung eingesetzt werden.
Datenanalyse und ‑aufbereitung zur Überwachung
Die Analyse und Auswertung der Sensordaten erfolgt mit der Software Hänchen Performance Control. Zunächst werden die anfallenden Rohdaten mit dem Modul “Calc” ausgewertet und relevante Informationen über das Modul “Date” in einer Datenbank dauerhaft gespeichert. Anschließend werden die Daten mit dem Modul “Dash” aufbereitet und in einem browserbasierten Dashboard für die Onlineüberwachung dargestellt.
Hänchen plant, auf dieser umfangreichen Sammlung hochwertiger Daten aufzubauen und neue digitale Möglichkeiten zu erschließen. Zusätzlich zur Online-Zustandsüberwachung und Ermittlung von Langzeittrends können weitere Prognosen erstellt werden:
- Welcher Dichtungsverschleiß ist zu erwarten, wenn der Zylinder beispielsweise ständig mit besonders kleinen Hüben oder extremen Geschwindigkeiten betrieben wird?
- Wann wird der nächste Dichtungswechsel erforderlich sein?
KI ermöglicht präzise Vorsagen
Künstliche Intelligenz wird die Software lernfähig gestalten, sodass Wartungszyklen immer präziser definiert werden können – vergleichbar mit der Erinnerung an die nächste Inspektion in modernen Autos. Darauf aufbauend kann auch eine Ersatzteilanforderung erfolgen – bis hin zur automatischen Vorbestellung von Ersatzteilen beim Lieferanten. Zudem entstehen neue Möglichkeiten für die Fernanalyse durch Hänchen, ohne dass ein Spezialist vor Ort anwesend sein muss.
Laut Wagner bestand die Herausforderung bei der Entwicklung des Systems vor allem im komplexen Berechnungsalgorithmus, da zahlreiche Einflussfaktoren wie Verfahrgeschwindigkeit, Temperatur, Verfahrlänge oder Last berücksichtigt werden müssen. Wenn beispielsweise die Stange nur kurze Hübe ausführt, verschleißt sie schnell, da nur eine kleine Stelle belastet wird. An dieser Stelle reduziert sich auch die Schmierung. Ein Monitoringsystem könnte nun die Anweisung geben, den Hub gelegentlich für einige Läufe zu verlängern, um die Schmierung wiederherzustellen.
Klaus Wagner fasst zusammen: „Im Bereich Hydraulik wollen wir so Industrie 4.0 verwirklichen, die einen maßgeschneiderten Kundennutzen hat.“ Bei ausgewählten Kunden wird das System derzeit eingesetzt, um die Algorithmen und Datenaufbereitung weiter zu optimieren. Durch das Feedback der Anwender in dieser Prototypenphase soll ein praxistaugliches System für die Zukunft entwickelt werden.