Leitungen in Erdgasversorgungsnetzen müssen regelmäßig gewartet und erhalten werden. Hierfür wird das Erdgas mithilfe von Entlastungsflammen entleert. Durch den Einsatz des FlareSimulators, welches von Forschern am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und ‑automatisierung IFF kreiert wurde, wird ein unterstützendes Tool bereitgestellt, das die angemessene Distanz der Flammen zu Gebäuden, Bäumen und anderen Objekten in der Umgebung kalkuliert. Somit kann ein Mindestabstand einfach eingehalten werden. Dies dämmt mögliche Risiken wie Brände und Explosionen ein.
Erdgas stellt einen der sichersten Energieträger dar, Unfälle treten selten auf – insbesondere aufgrund der regelmäßigen Wartung der Erdgasleitungen. Während Wartungsmaßnahmen wird das Gas zuerst abgepumpt und gelagert. Dabei bleibt jedoch immer eine Restmenge in den Rohren, welche aus dem betreffenden Leitungsabschnitt abgelassen werden muss. Da das Erdgas aufgrund von klimatischen und explosionsbedingten Faktoren nicht direkt in die Umwelt gelangen darf, kommen Entlastungsflammen zum Entladen oder Entleeren der Leitungen zum Einsatz. Diese mobilen Entlastungsflammen werden sowohl in Wohngebieten als auch im offenen Gelände installiert. Die Temperaturverbreitung der Erdgasflamme auf dem Fackelkopf mit dem Zündmodul hängt von der gegenwärtigen Feuerungswärmeleistung und der Windgeschwindigkeit ab und kann erheblich abweichen. Hierbei ist es wichtig, einen ausreichenden und sicheren Mindestabstand zu umliegenden Objekten wie Bäumen, Stromleitungen, Windrädern oder Gebäuden einzuhalten. Zur gleichen Zeit sollen unnötig große Sicherheitsabstände vermieden werden.
Software ermittelt optimalen Standort
Ein Forschungsteam am Fraunhofer IFF in Magdeburg hat ein Assistenz-Tool mit grafischer Benutzeroberfläche und Berichtsfunktionen entwickelt, das dem Nutzer bei der Festlegung der Mindestabstände unterstützt. Anhand spezifischer Eingabevariablen wie Brennwert des Gases, Volumenstrom, Durchmesser und Höhe der Fackel, Windgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur errechnet die Software ein dreidimensionales Temperaturprofil der Fackelflamme. Die Berechnungsergebnisse werden visuell dargestellt, damit der Nutzer eine Vorstellung von der zu erwartenden Flammengeometrie und der Temperaturverteilung bekommt. Die Wahl des Standorts für die Entlastungsfackel wird dadurch erleichtert. Marcus Kögler, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF, sagt: “Der Abstand der Fackel zu den umgebenden Objekten darf weder zu groß noch zu klein ausfallen. Mit unserem Assistenztool lässt sich der optimale Standort nach klar nachvollziehbaren Kriterien vornehmen. Auf freiem Feld bei extremen Windverhältnissen kann das Temperaturprofil stark verzerrt sein. In solchen Szenarien ist die Abstandsermittlung mit unserer Software besonders hilfreich”. Dr. Wolfram Heineken, Kollege von Kögler am Fraunhofer IFF, fügt hinzu: “Es gibt drei Mechanismen der Wärmeübertragung: die Wärmeleitung, die Konvektion, also die Strömung des Gases über einen Körper und die Strahlung. Mit FlareSimulator können wir die hier relevanten Faktoren Konvektion und Strahlung kombinieren und exakt berechnen, wie sich ein Objekt bzw. Körper im Raum aufheizen wird.” Neben den Mindestabständen kann die Software auch die Entlastungsleistung auslegen. Sie definiert, wie lange eine Fackel eines bestimmten Typs in Betrieb sein muss. Die Entlastungszeit wird automatisch vom Tool berechnet.
Die aktuelle Version von FlareSimulator entspricht den Anforderungen der Erdgasbranche und wird bereits von einem Industrieunternehmen genutzt. Der Anwendungsbereich des Tools ist jedoch breit gefächert — es kann überall dort eingesetzt werden, wo brennbare Gase aus Rohrleitungen abgelassen werden müssen, wie zum Beispiel in der chemischen Industrie oder in Industrieanlagen wie Erdölraffinerien.